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  • Das Ende der Business-Kasperl: Warum Management stärker automatisierbar ist als operative Umsetzung

    Das Ende der Business-Kasperl: Warum Management stärker automatisierbar ist als operative Umsetzung

    Die Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Künstliche Intelligenz (KI) verändert nicht nur Produktionsprozesse und Wissensarbeit, sondern auch Management-Aufgaben und das Projektmanagement. Lange Zeit war die Annahme verbreitet, dass KI vor allem einfache operative Tätigkeiten ersetzt, während Führungspositionen sicher bleiben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Gerade das Projektmanagement und das klassische Management ohne ausgeprägte Leadership-Komponente sind hochgradig standardisierbar und daher ein gefundenes Fressen für KI. Die eigentliche operative Umsetzung erweist sich dagegen als komplexer, kontextgebundener und weniger vorhersehbar, weshalb sie sich einer vollständigen Automatisierung eher entzieht.

    Projektmanagement als idealer Einsatzbereich für KI

    Projektmanagement folgt in der Regel klaren Methoden und Prozessen. Ob nach PMI, PRINCE2 oder Scrum – es gibt definierte Abläufe, Regeln und Best Practices, die sich hervorragend in digitale Tools übertragen lassen. Künstliche Intelligenz kann Abhängigkeiten in Projekten erkennen, Zeitpläne optimieren, Ressourcen effizienter verteilen und Risikoszenarien simulieren. Auch das Reporting lässt sich weitgehend automatisieren: Statusberichte, Fortschrittsanzeigen und KPI-Analysen entstehen auf Knopfdruck. Sogar die Kommunikation im Team kann von KI-gestützten Systemen koordiniert werden, die Aufgaben priorisieren und Handlungsempfehlungen geben. All dies macht deutlich, dass Projektmanagement in seiner klassischen Form zu den Tätigkeiten gehört, die durch KI am schnellsten transformiert werden.

    Klassisches Management und die Grenze zur Leadership

    Ein ähnliches Bild zeigt sich im klassischen Management. Planungsaufgaben, Controlling oder organisatorische Tätigkeiten sind stark datengetrieben und lassen sich durch KI-gestützte Systeme weitgehend standardisieren. Ein Algorithmus kann Budgets berechnen, Szenarien modellieren oder Ressourcenallokationen optimieren. Was jedoch schwer zu automatisieren bleibt, sind die weichen Faktoren, die man unter dem Begriff Leadership zusammenfasst. Empathie, Vertrauen, Konfliktlösung oder Motivation entziehen sich dem Zugriff von Algorithmen. Daraus ergibt sich ein differenziertes Bild: Manager, die primär Zahlen, Daten und Prozesse verwalten, sind in ihrer Rolle wesentlich austauschbarer als Führungspersönlichkeiten, die Verantwortung übernehmen, Kultur prägen und Orientierung geben.

    Operative Umsetzung als schwer berechenbarer Bereich

    Die operative Ebene wird oft vorschnell als besonders anfällig für Automatisierung betrachtet. Tatsächlich zeigt sich jedoch, dass operative Umsetzung in vielen Branchen eine enorme Komplexität aufweist. Ärztinnen und Ärzte können sich beispielsweise bei der Auswertung von Röntgenbildern von KI unterstützen lassen, aber die eigentliche Behandlung erfordert situatives Handeln und Empathie. In der Industrie übernehmen Roboter standardisierte Aufgaben, doch sobald Maschinen ausfallen oder Störungen auftreten, ist menschliches Improvisationsvermögen gefragt. Ähnlich verhält es sich in der Logistik: Algorithmen berechnen optimale Routen, aber unvorhergesehene Ereignisse wie Streiks, Wetterextreme oder politische Krisen machen flexible Entscheidungen notwendig.

    Umkehrung des klassischen Bildes

    Die verbreitete Vorstellung, dass KI vor allem einfache Jobs ersetzt, während Management-Positionen sicher bleiben, greift daher zu kurz. Vielmehr kehrt sich die Logik teilweise um: Projektmanagement und klassisches Management ohne Leadership-Komponente sind stärker bedroht, weil sie auf klaren Strukturen und Regeln beruhen, die sich durch Automatisierung abbilden lassen. Die operative Umsetzung hingegen ist oft zu komplex und zu stark vom Kontext abhängig, um vollständig durch KI ersetzt zu werden. KI frisst Prozesse, nicht Situationen. Prozesse lassen sich standardisieren, Situationen erfordern Erfahrung, Intuition und menschliches Urteil.

    Konsequenzen für die Arbeitswelt der Zukunft

    Für die Arbeitswelt bedeutet dies eine klare Verschiebung. Projektmanager werden zunehmend zu Supervisoren, die KI-Systeme konfigurieren, überwachen und deren Ergebnisse interpretieren. Führungskräfte müssen ihre Rolle stärker in Richtung Leadership entwickeln, da dies der Bereich ist, in dem Menschen weiterhin unersetzlich bleiben. Operative Fachkräfte wiederum benötigen technisches Verständnis, um mit KI-gestützten Assistenzsystemen sinnvoll arbeiten zu können. Und nicht zuletzt rückt die Frage nach Ethik und Verantwortung ins Zentrum, da KI zwar Daten liefert, die Verantwortung für Entscheidungen jedoch beim Menschen bleibt.

    Fazit

    Die Automatisierung durch Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt nicht linear. Während die operative Umsetzung in vielen Bereichen widerstandsfähiger gegen vollständige Automatisierung bleibt, stehen Projektmanagement und klassisches Management ohne Leadership-Komponente stärker unter Druck. Die Zukunft gehört daher nicht den reinen Zahlenverwaltern, sondern denjenigen, die Verantwortung übernehmen, Unsicherheit aushalten und andere Menschen führen können. KI ersetzt Prozesse, nicht Menschen – doch je standardisierter ein Job ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er automatisiert wird.

  • Nudging gegen Rechtspopulismus: Wie man verführte Wähler zurückgewinnt

    Nudging kann eine effektive Strategie sein, um Wähler, die von rechtspopulistischen Narrativen beeinflusst wurden, zurückzugewinnen. Es geht dabei nicht um Zwang oder Manipulation, sondern um subtile, psychologisch fundierte Anstöße, die Menschen in eine Richtung lenken, ohne ihnen Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Dabei sind folgende Prinzipien besonders wirksam:

    1. Emotionale Anknüpfungspunkte nutzen

    Rechtspopulismus spricht oft gezielt emotionale Bedürfnisse wie Sicherheit, Zugehörigkeit oder Gerechtigkeitsempfinden an. Um Wähler zurückzugewinnen, sollten alternative Narrative ebenfalls emotional ansprechend sein – etwa durch Geschichten von Menschen, die sich in einem vielfältigen Umfeld erfolgreich entfalten konnten.

    Nudge:

    • Kampagnen mit konkreten positiven Beispielen aus dem Alltag gestalten („Wie Vielfalt uns alle stärkt“).
    • Visualisierungen nutzen, die Sicherheit und Gemeinschaft betonen (z. B. Nachbarschaftsinitiativen, interkulturelle Teams).

    2. Sichere Identität und Werte betonen

    Menschen, die sich von rechtspopulistischen Bewegungen angesprochen fühlen, empfinden oft eine Bedrohung ihrer kulturellen oder wirtschaftlichen Identität. Wenn alternative politische Akteure ihnen vermitteln können, dass ihre Werte und Sorgen ernst genommen werden, kann das Vertrauen wiederhergestellt werden.

    Nudge:

    • Statt direkte Konfrontation („Du liegst falsch!“) lieber indirekte Bestärkung von gemeinsamen Grundwerten wie Fairness, Zusammenhalt oder Fleiß.
    • Politische Kommunikation auf „Bewahrung guter Traditionen“ statt auf „radikalen Wandel“ ausrichten, wenn das Wertesystem der Zielgruppe stark konservativ geprägt ist.

    3. Soziale Normen positiv beeinflussen

    Rechtspopulistische Bewegungen funktionieren oft über Gruppenzugehörigkeit und soziale Identifikation („Wir gegen die anderen“). Nudging kann helfen, den Eindruck zu erzeugen, dass gemäßigte und weltoffene Ansichten die gesellschaftliche Norm sind.

    Nudge:

    • Hervorheben, dass die Mehrheit sich gegen Extremismus ausspricht („80 % der Menschen unterstützen demokratische Werte“).
    • Influencer, Sportvereine oder lokale Helden als Vorbilder einsetzen, um demokratische Narrative authentisch zu vermitteln.

    4. Angst reduzieren, Handlungsfähigkeit stärken

    Viele Menschen wählen populistische Parteien aus Angst vor Veränderungen oder gefühlter Machtlosigkeit. Wer Alternativen bieten will, muss diese Ängste ernst nehmen und konkrete Lösungen präsentieren.

    Nudge:

    • Lösungen visuell und emotional greifbar machen („So können wir den Wohnungsmarkt verbessern – und Sie profitieren davon“).
    • Handlungsspielräume zeigen („Ihre Meinung zählt – gestalten Sie Ihre Stadt mit“).

    5. Diskursräume schaffen statt abgrenzen

    Die moralische Abwertung von Wählern rechtspopulistischer Parteien („Wie kann man nur so denken?!“) führt oft zur Trotzreaktion. Stattdessen sollten alternative politische Kräfte Räume schaffen, in denen sich Menschen ohne Gesichtsverlust von extremen Positionen lösen können.

    Nudge:

    • Möglichkeiten bieten, an Diskussionen teilzunehmen, ohne sofort abgestempelt zu werden.
    • Die Kosten einer radikalen Position sanft verdeutlichen („Wer extrem denkt, verliert Mitspracherecht“).

    Fazit

    Nudging kann helfen, indem es Ängste reduziert, soziale Normen in eine demokratische Richtung lenkt und eine positive Zukunftsvision bietet. Wichtig ist dabei, Menschen nicht zu belehren, sondern sie auf subtile Weise zu besseren Entscheidungen zu führen – durch gezielt gesetzte Reize in Sprache, Bildern und Interaktionen.

  • Wird sich die Idiokratie als Farce selbst erledigen?

    Die Vorstellung einer Idiokratie – einer Herrschaft der Unvernunft, Inkompetenz und Ignoranz – wirkt auf den ersten Blick wie eine düstere Satire. Doch spätestens seit der Jahrtausendwende verdichten sich globale Entwicklungen, die diese Dystopie in greifbare Nähe rücken lassen. Der politische Diskurs verflacht, Expertise wird verachtet, Fakten verhandelbar. Wo einst Aufklärung und Vernunft das gesellschaftliche Fundament stärkten, regieren heute Populismus, Bauchgefühl und Klicklogik. Die Frage, ob sich diese Entwicklung aus inneren Widersprüchen heraus selbst erledigt, oder ob wir ihr aktiv entgegentreten müssen, führt ins Herz eines kulturellen und politischen Kampfes.

    Hybris als Triebkraft des Verfalls

    Der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit – die Hybris – ist ein altbekannter Motor des Scheiterns. In einer Idiokratie wird Hybris nicht nur toleriert, sondern zum politischen Stilmittel erhoben. Wer am lautesten schreit, gewinnt. Wer am meisten verspricht, wird gewählt. Kompetenz gilt als elitär, Reflexion als Schwäche. Doch Hybris trägt den Keim der Selbstzerstörung in sich. Systeme, die auf Schein statt Sein bauen, kollabieren an der Realität. Infrastruktur verrottet, Verwaltung versagt, Krisenmanagement wird zur Improvisation. Wo Fakten nicht zählen, ist auch Planung unmöglich. Die Idiokratie frisst sich selbst – doch oft nicht schnell genug, um den Schaden zu begrenzen.

    Anti-Intellektualismus: Der Triumph der Vereinfachung

    Die Abwertung von Wissen und intellektuellem Diskurs ist kein neues Phänomen. Doch in digitalen Echokammern und sozialen Netzwerken erfährt der Anti-Intellektualismus eine neue Blüte. Wissenschaft wird zur Meinungssache, Bildung zur Bedrohung. Der „Experte“ wird zum Feindbild, weil er Komplexität aufzeigt, wo man einfache Antworten will. In der Idiokratie regiert der „gesunde Menschenverstand“, der selten gesund und noch seltener fundiert ist. Dabei übersehen viele, dass Wissenschaft nicht arrogant ist, sondern methodisch. Dass Bildung keine Ideologie ist, sondern ein Werkzeug der Emanzipation. Der Anti-Intellektualismus beraubt Gesellschaften ihrer Zukunftsfähigkeit – und könnte damit auch die Idiokratie selbst entwaffnen. Denn in einer Welt multipler Krisen kann man Probleme nicht wegposten.

    Die kurzsichtige Gier: Ein ökonomischer Suizid

    Kurzfristiges Denken – sei es aus politischem Kalkül oder wirtschaftlicher Profitgier – prägt viele Entscheidungen in idiokratischen Systemen. Langfristige Strategien, Nachhaltigkeit oder intergenerationale Verantwortung gelten als „Luxus“. Doch diese Gier ist kein Antrieb, sondern ein Brandbeschleuniger. Gesellschaften, die Bildung, Gesundheit oder Klimaschutz aus wirtschaftlicher Kurzsichtigkeit opfern, bauen auf Sand. Die langfristigen Kosten übersteigen bei Weitem die kurzfristigen Gewinne. Irgendwann kippt das System – wirtschaftlich, ökologisch oder sozial. Die Frage ist nicht, ob, sondern wann. Und wie viele es bis dahin mit in den Abgrund reißt.

    Der Trumpismus – Symptom und Katalysator

    Der Aufstieg Donald Trumps war kein Betriebsunfall der Geschichte, sondern Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Entwicklungen. Trumpismus steht für eine aggressive Spielart der Idiokratie: narzisstische Hybris, radikaler Anti-Intellektualismus, hemmungslose Gier – verpackt in medienwirksame Provokation und Identitätspolitik. Doch der Trumpismus ist mehr als eine Person. Er ist ein Modus operandi, der globale Nachahmer findet: Bolsonaro, Johnson, Orbán – Variationen desselben Drehbuchs. Doch auch hier zeigt sich: Der Trumpismus ist instabil. Seine Widersprüche sind offensichtlich – wirtschaftlich, moralisch, organisatorisch. Die Rückkehr Trumps in den öffentlichen Diskurs wirkt zunehmend wie eine Groteske. Aber: Farcen sind gefährlich, wenn sie Macht behalten.

    Wird sich die Farce selbst erledigen?

    Die Hoffnung, dass sich die Idiokratie durch ihre inneren Widersprüche selbst auflöst, ist verführerisch – aber naiv. Zwar zeigen sich Risse im System, Kollateralschäden und Ermüdungserscheinungen. Doch Systeme – auch absurde – können lange überleben, wenn sie sich adaptieren oder die Bevölkerung resigniert. Die Farce wird sich nicht von selbst erledigen, solange sie durch Aufmerksamkeitsökonomie, strukturelle Machtasymmetrien und mediale Zuspitzung am Leben gehalten wird.

    Was bleibt, ist die Notwendigkeit aktiver Gegenkräfte: Bildung, Aufklärung, institutionelle Resilienz. Und Menschen, die den Mut haben, gegen die Farce aufzustehen – nicht mit moralischer Überheblichkeit, sondern mit Klarheit, Pragmatismus und Mitgefühl.

    Denn die eigentliche Frage ist nicht, ob sich die Idiokratie erledigt. Sondern wer sie beendet – und zu welchem Preis.

  • Populismus als Exkulpationsmechanismus: Die bewusste Wahl der Täuschung

    In politischen Debatten wird Populismus oft als Ergebnis von Unwissenheit oder Täuschung betrachtet. Doch diese Analyse greift zu kurz. Populistische Narrative sind nicht nur attraktiv, weil sie einfache Antworten auf komplexe Probleme liefern, sondern weil sie den Anhängern eine tiefgehende psychologische Entlastung bieten. Sie ermöglichen es, Verantwortung zu negieren, indem man sich bewusst auf eine Version der Realität einlässt, die zwar fragwürdig sein mag, aber persönliche Exkulpation verspricht.

    Exkulpation durch die Opferrolle

    Ein zentrales Element populistischer Rhetorik ist die Schaffung einer Opferidentität. Wer sich als Opfer äußerer Mächte – sei es „die Elite“, „die Medien“ oder „das System“ – sieht, kann sich von persönlicher Verantwortung für gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen entlasten. Das eigene Scheitern oder die eigene Unzufriedenheit werden nicht als Ergebnis individueller Entscheidungen oder struktureller Herausforderungen betrachtet, sondern als Folge gezielter Manipulation durch andere. Diese Perspektive ist verlockend, denn sie erlaubt es, Wut und Frustration nach außen zu projizieren, anstatt sich mit den eigenen Handlungsoptionen auseinanderzusetzen.

    Bewusste kognitive Dissonanz

    Interessanterweise gehen viele Populismus-Anhänger nicht naiv oder ahnungslos mit den Erzählungen um, die sie übernehmen. Sie erkennen oft zumindest unterschwellig, dass diese Narrative nicht völlig der Wahrheit entsprechen. Dennoch werden sie akzeptiert, weil sie eine bequeme Erklärung für Unzufriedenheit liefern. Kognitive Dissonanz – der unangenehme Zustand, wenn widersprüchliche Informationen aufeinandertreffen – wird auf diese Weise umgangen. Der einfache Glaube an eine Schuld von außen ist oft weniger belastend als die Auseinandersetzung mit widersprüchlichen Fakten.

    Moralische Entlastung

    Eine direkte Folge dieser bewussten Selbsttäuschung ist die moralische Entlastung. Wer sich als betrogen oder hintergangen wahrnimmt, kann sich von der Pflicht befreien, eigene Fehlentscheidungen kritisch zu hinterfragen. Die politische Wahl, die Unterstützung einer bestimmten Bewegung oder das Verbreiten fragwürdiger Inhalte in sozialen Medien – all dies erscheint dann nicht als persönliche Verantwortung, sondern als Konsequenz einer manipulierten Realität.

    Das Narrativ der Täuschung als Schutzschild

    Sollten populistische Versprechen nicht eintreten oder sich als unhaltbar erweisen, existiert bereits eine vorgefertigte Erklärung: Man sei betrogen worden. Dieses Narrativ dient als Schutzschild gegen Selbstzweifel. Indem man sich auf die Idee verlässt, dass korrupte Eliten, manipulative Medien oder ein „verzerrtes System“ die Wahrheit verdrehen, bleibt die eigene Position unangetastet. Fehlerhafte politische Entscheidungen oder das Verfolgen unrealistischer Erwartungen werden so nicht zur persönlichen Verantwortung, sondern zur Folge externer Täuschung.

    Psychologische Bequemlichkeit und die Vermeidung von Unsicherheit

    Letztlich spielt auch ein Grundbedürfnis nach Stabilität und Klarheit eine Rolle. Die moderne Welt ist geprägt von Ambivalenzen, Unsicherheiten und ständigem Wandel. Sich dieser Unsicherheit aktiv zu stellen, erfordert Anstrengung und oft auch die Bereitschaft, Widersprüche auszuhalten. Populismus hingegen bietet eine trügerische, aber psychologisch entlastende Klarheit. Er reduziert die Welt auf einfache Erklärungen, auf eindeutige Schuldige und auf eine klare, wenn auch illusionäre, Handlungsorientierung.

    Fazit

    Populismus ist weit mehr als eine politische Strömung – er ist eine psychologische Strategie, um mit Unsicherheit und Verantwortung umzugehen. Die bewusste Wahl einer verzerrten Realität ist oft kein Zeichen von Täuschung durch andere, sondern eine Strategie zur Selbstentlastung. Indem populistische Narrative eine Opferrolle ermöglichen, kognitive Dissonanz vermeiden, moralische Entlastung bieten und Unsicherheit reduzieren, werden sie zu einem attraktiven Mechanismus, der persönliche Verantwortung auslagert. In einer Zeit, in der Unsicherheiten zunehmen, ist es daher nicht nur eine politische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung, Wege zu finden, wie Menschen mit Ambivalenz umgehen können, ohne in vereinfachende Erzählungen zu flüchten.

  • Don’t make stupid people famous

    In einer Welt, in der Aufmerksamkeit die ultimative Währung ist, stellt sich immer wieder die Frage, wer Plattformen erhält und wer nicht. Das Konzept des Deplatformings – also der Entzug von medialen oder digitalen Kanälen für bestimmte Personen – ist dabei hochumstritten. Ist es eine Form der Zensur, eine legitime Maßnahme gegen Desinformation oder schlicht ein Mittel zur Verteidigung demokratischer Prinzipien? Die aktuelle Debatte über politische Einflussnahme von außen, insbesondere durch Figuren wie Elon Musk oder den US-Vizepräsident J.D. Vance, zeigt, wie sehr diese Fragen an der Substanz demokratischer Selbstbestimmung rütteln.

    Der Mechanismus des Deplatformings

    Deplatforming ist keineswegs ein neues Phänomen. Historisch gesehen hat es immer Mechanismen gegeben, mit denen Gesellschaften entschieden, wer gehört werden darf und wer nicht. Früher war es die Kirche, später der Staat, heute sind es oftmals private Unternehmen, die Social-Media-Plattformen betreiben. In einer hypervernetzten Welt bedeutet dies, dass eine Sperrung auf Twitter (jetzt X) oder YouTube drastische Auswirkungen auf die öffentliche Sichtbarkeit einer Person haben kann.

    Befürworter von Deplatforming argumentieren, dass bestimmte Personen – insbesondere jene, die gezielt Falschinformationen verbreiten oder extremistische Positionen fördern – keinen Anspruch auf eine massenhafte Verbreitung haben. Gegner sehen darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und warnen vor einem gefährlichen Präzedenzfall. Doch der entscheidende Punkt bleibt: Nicht jede Meinung verdient eine Plattform. Insbesondere dann nicht, wenn sie aktiv daran arbeitet, demokratische Grundstrukturen zu untergraben.

    Musks und Vances Angriffe auf die deutsche Politik

    Ein aktuelles Beispiel, das zeigt, wie notwendig eine Diskussion über Plattformen und politische Einflussnahme ist, ist das Verhalten von Elon Musk und J.D. Vance. Beide haben in den vergangenen Wochen unverhohlen für rechte Parteien in Deutschland geworben und dabei bewusst Narrative bedient, die an der Souveränität der deutschen Politik sägen. Musk, der einst als Tech-Visionär galt, ist zunehmend zu einem Sprachrohr rechtspopulistischer und verschwörungstheoretischer Strömungen geworden. Sein Einfluss auf digitale Kommunikation ist enorm, und sein X-Account mit Millionen Followern sorgt für eine globale Verbreitung seiner Ansichten.

    J.D. Vance schließt sich diesem Kurs an. Seine offenen Empfehlungen, in Deutschland extrem rechte Parteien zu unterstützen, sind nicht nur eine politische Geschmacklosigkeit, sondern ein direkter Eingriff in die demokratischen Prozesse eines anderen Staates. Solche Interventionen aus dem Ausland sind kein Zufall, sondern ein gezielter Versuch, die politische Landschaft in Europa zu verschieben – oft mit dem Ziel, EU-Skepsis und Destabilisierung voranzutreiben.

    Warum wir Deplatforming ernst nehmen müssen

    Die Frage ist also nicht nur, wer eine Plattform bekommt, sondern wer diese für welchen Zweck nutzt. Das Problem ist nicht allein, dass Personen wie Musk oder Vance Unsinn verbreiten, sondern dass ihre Reichweite ihnen eine unverhältnismäßige Macht verleiht. Aufmerksamkeit ist die Grundlage moderner politischer Macht – und wenn die falschen Personen diese erhalten, können die Folgen gravierend sein.

    Es geht nicht darum, eine umfassende Zensur zu fordern. Es geht darum, Verantwortung für die Reichweite zu übernehmen. Wenn digitale Plattformen durch Algorithmen extremistische Inhalte verstärken oder durch gezielte Inaktivität toxischen Diskurs normalisieren, dann wird es gefährlich. Plattformen müssen sich der Verantwortung bewusst sein, die sie tragen – und die Gesellschaft muss sich fragen, wem sie Gehör schenkt.

    Plattformen sind kein rechtsfreier Raum

    „Don’t make stupid people famous“ ist mehr als nur ein sarkastischer Spruch. Es ist eine politische Notwendigkeit in einer Zeit, in der Meinungen nicht mehr nur diskutiert, sondern durch Social Media und digitale Plattformen massiv verstärkt werden. Deplatforming bleibt ein umstrittenes Werkzeug, doch es ist auch eines der wenigen Mittel, um sicherzustellen, dass Demokratie nicht durch Lautstärke ersetzt wird. Wer eine Bühne erhält, beeinflusst Meinungen – und somit Wahlen, Gesellschaften und ganze Staaten. In Zeiten externer Einflussnahme durch Figuren wie Musk oder Vance ist es wichtiger denn je, darüber nachzudenken, wer in den öffentlichen Diskurs gehört – und wer nicht.